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Nachhaltiger Biodiesel als Übergangslösung für klimafreundliche Mobilität

HVO 100 und andere E-Fuels bieten umweltfreundliche Alternativen zu fossilem Diesel, können aber nur als Brückentechnologie dienen.

Trends von Claus-Detlev Bues

Deutschland gibt mit HVO 100 eine klimafreundlichere Diesel-Alternative frei. Der synthetische Biodiesel reduziert CO₂-Emissionen bis zu 90 %, bleibt aber aufgrund begrenzter Rohstoffe nur eine Brückentechnologie.

Ab dem 29. Mai 2024 dürfen Tankstellen in Deutschland den neuen Kraftstoff HVO 100 verkaufen, nachdem das Bundeskabinett die 10. Bundesimmissionsschutzverordnung geändert hat. HVO ist ein nachhaltiger und hochwertiger Biodieselkraftstoff, dessen Freigabe einen wichtigen Schritt für mehr Klimaschutz im Verkehr darstellen kann. HVO in Reinform (HVO 100) hat ein CO2-Emissionsminderungspotenzial von über 90 Prozent. Moderne Dieselmotoren sind grundsätzlich für HVO 100 geeignet. Zudem werden auch die Kraftstoffe B10 und E-Diesel in Reinform zugelassen.

Im großen Stil: Die neue Nesté-Raffinerie in Rotterdam.

Während alle über E-Mobilität sprechen, wird die Diskussion um die Zukunft der Mobilität und eine Verkehrswende in Deutschland oft wenig sachlich und praxisgerecht geführt, häufig geprägt von ideologischer Dogmatik. Also warum nicht mit einfach erreichbaren Sofortmaßnahmen wie ein Tempolimit oder als Brückentechnologie E-Fuels versuchen, das wieder verfehlte Klimaziel zu erreichen? Das von der EU geplante Aus für Verbrennermotoren gilt ab 2035; dann dürfen keine neuen Fahrzeuge mehr zugelassen werden, die mit fossilem Diesel oder Benzin betrieben werden. Eine Ausnahme vom Verbrenner-Verbot soll für E-Fuels gelten. Die EU plant eine neue Fahrzeugklasse für E-Fuels-Autos, während gebrauchte Diesel- und Benzinfahrzeuge sowie der bestehende Fahrzeugbestand nicht betroffen sind. Mit dem Gesetz zum Verbrenner-Aus richtet die EU ihre Prioritäten klar auf die Elektromobilität aus: Der CO2-Ausstoß wird als alleiniger Maßstab verwendet, und nach aktuellem Stand der Technik können nur Elektroautos oder Brennstoffzellenfahrzeuge mit Wasserstoff diese Vorgabe erfüllen. Die Produktion von Wasserstoff soll in den kommenden Jahren stark gefördert werden, obwohl Experten erwarten, dass Wasserstoff hauptsächlich in der Industrie eingesetzt wird. Unklar bleibt, wie die neue Kategorie von Verbrennerfahrzeugen, die ausschließlich mit E-Fuels betrieben werden, in die Flottenziele integriert werden kann und welche Auswirkungen dies auf die Zielwerte bis 2035 hat. Entsprechende Regelungen werden voraussichtlich erst in den kommenden Jahren diskutiert und verabschiedet. 

Für den erneuerbaren Diesel werden im Idealfall Abfälle, Reststoffe und innovative Rohstoffe zu erneuerbaren Kraftstoffen verarbeitet.

Wer kümmert sich um den Fahrzeugbestand?

Was ist jedoch mit bestehenden Diesel-Fahrzeugen, wie unseren Reisemobilen? Es scheint, als würde sich niemand darum kümmern. Daher stellt sich die Frage, warum nicht eine Übergangstechnologie wie E-Fuels wenigstens temporär gefördert wird, die auch bestehende Alt-Fahrzeuge sauberer macht und bei weitem geringeren CO2-Ausstoß betreibt. Solche Kraftstoffoptionen haben in letzter Zeit viel Aufmerksamkeit erhalten. Hydriertes Pflanzenöl (HVO) 100 hat sich als vielversprechende Alternative und Brücke zum Verzicht auf herkömmliche fossilen Brennstoffen erwiesen. HVO 100 ist ein erneuerbarer, kohlenstoffarmer Kraftstoff, der mehrere technische Vorteile bietet und weltweit verfügbar sein könnte. Er wird aus Pflanzenölen, tierischen Fetten oder anderen organischen Rohstoffen – im Idealfall als Abfallprodukten – durch ein Verfahren namens Hydrotreatment hergestellt wird. Bei der Hydrobehandlung werden diese Rohstoffe in Gegenwart von Wasserstoff hohen Temperaturen und Drücken ausgesetzt, wodurch Verunreinigungen entfernt und Triglyceride in paraffinische Kohlenwasserstoffe umgewandelt werden. Der daraus resultierende Kraftstoff ist eine klare, farblose Flüssigkeit, die chemisch nahezu identisch mit fossilem Diesel ist und daher mit bestehenden Dieselmotoren und der Infrastruktur kompatibel ist. HVO 100 entspricht der Norm EN 15940, der aktuellen Norm für synthetischen Diesel in Europa, und kann in den meisten Maschinen, Lkw und Bussen verwendet werden.

Produktionsanlage von HVO 100 in Rotterdam.

Die Vorteile von HVO 100:

Was spricht für den modernen Dieselersatz:

  1. Emissionen: Einer der wichtigsten technischen Vorteile von HVO 100 ist die deutlich geringeren Treibhausgasemissionen im Vergleich zu herkömmlichem Diesel. HVO 100 erzeugt laut der industriellen Hersteller bis zu 90 % weniger Kohlendioxid (CO2) und reduziert den Ausstoß schädlicher Schadstoffe wie Stickoxide (NOx) und Feinstaub. Dies würde HVO 100 zu einer attraktiven Option für die Industrie und den Transportsektor machen, auch um deren ihre CO2-Bilanz zu verbessern (siehe hierzu auch Nachteile).
  2. Leistung: HVO 100 bietet eine hohe Energiedichte, die mit der von herkömmlichem Diesel vergleichbar ist. Das bedeutet, dass es in Dieselmotoren eine vergleichbare Laufleistung und Leistung erbringen kann, ohne dass Änderungen oder Leistungseinbußen erforderlich sind. Es kann fossilen Diesel in Fahrzeugen, Maschinen und Generatoren direkt ersetzen.
  3. Kompatibilität: HVO 100 ist bekannt für seine ausgezeichnete Stabilität, selbst unter extremen Temperaturbedingungen. Es hat eine geringere Tendenz, sich im Laufe der Zeit zu zersetzen, was zu einer verbesserten Lagerung und Langzeitverwendbarkeit führt. Darüber hinaus ist es vollständig kompatibel mit der bestehenden Dieselinfrastruktur, einschließlich Tanks, Pipelines und Tankstellen und erfordert keine zusätzlichen Investitionen in die Infrastruktur.
  4. Verbrennung: HVO 100 verbrennt sauberer als herkömmlicher Diesel, was zu geringeren Abgasemissionen und besserer Luftqualität führt. Diese sauberere Verbrennung führt auch zu einem geringeren Wartungsaufwand für Dieselmotoren und kann deren Lebensdauer verlängern. Den ökologischen Fußabdruck welchen die Produktion und Herstellung neuer Fahrzeuge und Maschinen – auch mit E-Antrieb – hinterlassen, ist um ein vielfaches höher als bei der Nutzung bestehender Verbrennertechnologie entsteht.
  5. Tankstellennetze: Der Einzelhandelsvertrieb von HVO 100 wird ausgeweitet, und immer mehr Tankstellen bieten es neben herkömmlichem Diesel an. Dadurch wird der Zugang zu diesem Kraftstoff für Verbraucher und Unternehmen erleichtert.
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Die Nachteile von HVO 100:

Der neue Dieselersatz kritisch beleuchtet:

  1. Wo kommen die Materialien wie Pflanzenöle, organische Rohstoffe oder tierische Fette her? Bereits bei dem aktuellen Bedarf an HVO 100 können sich die Hersteller nicht mit Materialien und Rohstoffen aus der EU begnügen. Hierzu treten die E-Fuel-Hersteller mit Nutzern wie die oleochemische Industrie, die Energie- oder Wärmegewinnung in Konkurenz. So besteht die Gefahr, dass skrupellose, weltweit agierende Rohstoffhändler ihr Geschäft auf Kosten von Entwicklungsländer und deren Ökologie forcieren werden. Die nachhaltig verfügbaren Rohstoffmengen sind äußerst begrenzt, abfall- und reststoffbasierte Kraftstoffe sind höchstens eine Nischenlösung zum Ersatz fossiler Kraftstoffe.
  2. Wie sieht da bei der Produktion die Ökobilanz aus? HVO wird durch ein aufwändiges Verfahren namens Hydrotreatment generiert. Dazu sind Wasserstoff, hohe Temperaturen und hoher Druck notwendig, das bedeutet einen hohen Energieaufwand für Reaktionstemperatur, Druck und auch die Herstellung von (grünem?) Wasserstoff ist energieaufwändig. Bei der Verwendung von Wasserstoff gilt zu bedenken, dass er zur Zeit hauptsächlich aus fossilen Quellen stammt, knapp verfügbar ist und dann an andere Stelle fehlt. Hier sind keine großen Gewinne in der Ökobilanz zu verzeichen.
  3. Die Aussage der HVO 100 Hersteller, das dieser Treibstoff sowohl Stickoxide (NOx) und Feinstaub deutlich reduziert, ist nicht unumstritten. Unabhängige Tests – auch des ADAC – haben ergeben, das der gemessene Stickoxidgehalt bis zu 20 Prozent höher ausfällt als bei der fossilen Dieselverbrennung. Zum Thema Feinstaub wurde festgestellt, das nicht weniger, sondern deutlich mehr ultrafeine Partikel entstehen. Die besonders gesundheitsschädlicher sind, weil sie tief in den Körper bis in die Blutbahnen eindringen. 
Jede Minute werden global etwa 15 Hektar Regenwälder abgeholzt - vor allem für Palmöl- und Soja-Plantagen

Wer kann HVO 100 tanken?

Um HVO 100 tanken zu können, müssen die Autobauer das jeweilige Modell für den Kraftstoff freigeben. Ein Blick in den Tankdeckel schafft Klarheit: Dort sind die genehmigten Kraftstoffe aufgeführt. Ist in der Auflistung das Kürzel „XTL“ zu sehen, kann bedenkenlos HVO 100 getankt werden. Sollte bei älteren Fahrzeugen nichts stehen, bitte beim Hersteller checken oder bei der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) unter https://www.dat.de/b10-xtl/ schauen, die DAT hat in Abstimmung mit den Fahrzeugherstellern eine offizielle Freigabenliste erstellt. 

Was sagen die beteiligten Protagonisten dazu?

Statement Firma NESTE, Düsseldorf

In Deutschland ist die finnische Firma Neste (NESTE, Nasdaq Helsinki, www.neste.de) Marktführer in Bezug auf HVO 100 und hat ihre deutsche Niederlassung in Düsseldorf. Das Technologieunternehmen schafft Lösungen zur Bekämpfung des Klimawandels und für einen schnelleren Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft. 

„Mit der Änderung der 10. Bundesimmissionsschutzverordnung per Beschluss des Bundeskabinetts vom 10. April 2024 darf HVO 100 an Tankstellen in Verkehr gebracht werden. HVO ist ein besonders nachhaltiger und hochwertiger Biodieselkraftstoff. Die Freigabe bedeutet einen wichtigen Schritt für mehr Klimaschutz im Verkehr. HVO in Reinform (HVO 100) hat ein CO2-Emissionsminderungspotenzial von mehr als 90 Prozent. Moderne Dieselmotoren sind grundsätzlich für HVO 100 geeignet. Kerninhalt des Beschlusses ist die Aufnahme der DIN-Norm EN 15940 in die Verordnung über die Beschaffenheit und die Auszeichnung der Qualitäten von Kraftstoffen (10. BImSchV), sodass ab sofort auch 100 Prozent erneuerbarer Diesel (HVO 100), wie „Neste MY Renewable Diesel“, an öffentlichen Tankstellen angeboten werden kann.

Was sagen die beteiligten Protagonisten dazu?

Statement Deutsche Umwelthilfe, NABU, Greepaece und Deutscher Naturschutzring

„Die Auswirkungen der Klimakrise werden immer stärker sichtbar, doch die Abkehr von fossilen Energieträgern geht im Verkehrssektor nur schleppend voran. Lösungen für klimafreundliche Mobilität werden ausgebremst, während Scheinlösungen den Verbrennungsmotor unnötig am Leben halten. So wird seit Jahren die Beimischung von biogenen Kraftstoffen zu fossilen gefördert. Diese „Bio“-Kraftstoffe stehen seit Langem in der Kritik, weil sie Klima und Natur erheblich schaden. Agrokraftstoffe aus eigens angebauten Pflanzen wie Soja, Raps und Getreide, belegen enorme Flächen und stehen in direkter Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion.“

Fazit

Klar ist, dass das Verbrennen fossiler Rohstoffe im Verkehr enden wird und muss. HVO 100 und ähnliche E-Fuels können nur eine Brückentechnologie bis zur endgültigen Verkehrswende darstellen. Aktuell verbrauchen wir allein in Deutschland 28 Millionen Tonnen Diesel pro Jahr, in der gesamten EU sind es 175 Millionen Tonnen. Es werden weltweit 34 Millionen Tonnen Rapsöl, 65 Millionen Tonnen Rapsöl, 18,5 Millionen Tonnen Sonnenblumenöl und sage und schreibe 78 Millionen Tonnen des zu Recht verschrienen Palmöls hergestellt. Auf e-Fuels umzusatteln ist also unmöglich und wäre ein klarer Fall von „greenwashing“. Dennoch gilt es aus ökologischer Sicht den Bestand an Dieselfahrzeugen so lange wie möglich zu nutzen und nur nicht mehr reparable Fahrzeuge durch E-Mobile zu ersetzen. Eine temporäre Hilfe, um den riesigen Alt-Bestand an Diesel-Kraftfahrzeugen einigermaßen sauber zu bekommen, kann „korrekt produziertes“ HVO 100 aber leisten. Klar ist auch, dass Agrarprodukte wie Soja, Raps, Palmöl, Mais und Getreide nichts in einem Kraftstofftank zu suchen haben, Ackerflächen weltweit sollten ausschließlich zur Erzeugung von Lebensmitteln dienen. Und, wie immer, wenn Millardengewinne winken, werden Betrug und Gier im weltweiten Rohstoffhandel Tür und Tor geöffnet. So gilt es besonders massiv auf Transparenz zu pochen! |

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